PNP-Artikel vom: 29.08.2012

"Wir sind die letzten Demokraten "

Hubert Aiwanger, Chef der Freien Wähler, wirft anderen Parteien bei Euro-Rettungskurs Missachtung des Volkswillens vor.

Passau. Eine Koalition mit der CSU hält Hubert Aiwanger, Bundes- und Landesvorsitzender der Freien Wähler, im Interview mit der PNP nicht für ausgeschlossen - vorausgesetzt, sie bewegt sich deutlich. Für Griechenland empfiehlt er die Einführung der Drachme als Parallelwährung.

Sie haben wiederholt gesagt, zuletzt in Deggendorf, der Kurs der der Regierung in Sachen Eurorettung samt Fiskalpakt und ESM sei "nicht alternativlos, sondern hirnlos". Ihre Anti-Euro-Kundgebungen ziehen aber auch unliebsame Besucher an. Haben Rechtsextreme in Sachen Europolitik mehr Hirn?

Hubert Aiwanger: Nein! Aber diese unliebsamen Gäste kommen, um uns von der öffentlichen Bühne zu verscheuchen. Man hat den Eindruck, da stecken Kreise dahinter, die uns loshaben wollen. Wir haben Sorge um

Gestern im PNP-Interview: Hubert Aiwanger will "Alternativen zur Alternativlosigkeit denken dürfen". - F.: Jäger

die Zukunft des Euro und Europas. Das sagen mittlerweile viele Wirtschaftsprofessoren, der Bund der Steuerzahler und die familiengeführten Unternehmen. Die werden anscheinend alle als Populisten abgetan. 80 bis 90 Prozent der Bevölkerung sind gegen den derzeitigen Euro-Rettungsschirm-Kurs, die Parteien im Bundestag sind trotzdem dafür. Wir Freien Wähler sind die letzen Demokraten in diesem Spiel. Weil wir umsetzen, was die Bevölkerung will. Warum hält man keine Volksabstimmung zum ESM? Schwarz, Rot, Grün und Gelb wären blamiert bis auf die Knochen.

Andere Parteien, etwa die Grünen, werfen Ihnen ja wegen Ihrer Ablehnung des Euro-Rettungsschirms eine rechtspopulistische Ausrichtung vor. Das macht die Suche nach einem Koalitionspartner für nach den Landtagswahlen nicht einfacher. . .

Aiwanger: Die Mehrheit der Bevölkerung ist gegen die Rettungsschirme. Und ich bin enttäuscht, dass Schwarz, Rot, Grün und Gelb diese Mehrheitsmeinung nicht akzeptieren, sondern trotzdem für ESM und Fiskalpakt sind. Nur die Linkspartei und wir sind dagegen. Ist das Links- oder Rechtspopulismus oder einfach gesunder Menschenverstand, wenn man gegen den ESM ist und 80 Prozent der Bevölkerung an seiner Seite hat? Das soll jeder selbst beurteilen.

"Unglaubwürdigkeit kann man nicht krasser demonstrieren"

CSU-Generalsekretär Dobrindt entzweit nun seine eigene Partei mit ähnlich eurokritischen Tönen. Eine Genugtuung für Sie?

Aiwanger: Im Endeffekt versucht er nur, für die CSU zu retten, was noch zu retten ist. Die CSU hat ESM und Fiskalpakt in Berlin zugestimmt, inklusive Herrn Dobrindt. Und jetzt schimpft er gegen diese Verschuldungspolitik, der er selbst zugestimmt hat. Unglaubwürdigkeit kann man nicht krasser demonstrieren. Das zeigt das Dilemma der CSU: Sie will zu Hause dem Volk nach dem Mund reden und in Berlin stimmt sie anders ab. Jahrelang ist sie in dieser verfehlten Merkel-Politik mitmarschiert, ohne über Alternativen nachzudenken. Und die sind überfällig. Welche meinen Sie?

Aiwanger: Das ist gar nicht so kompliziert. Man muss sich an das halten, was bei der Euro-Einführung versprochen wurde: Jeder haftet für seine Schulden selbst. Wenn das nicht funktioniert, muss man darüber nachdenken, schwache Länder aus diesem Zwangskorsett Euro herauszunehmen, eventuell mit einer Parallelwährung als Übergangsszenario. Und man muss den Euro so attraktiv machen, dass andere Länder überhaupt reinwollen. Wenn Emporkömmlinge wie unsere Nachbarn Tschechien und Polen nicht rein wollen, dann läuft etwas schief. Ich würde darauf wetten, dass wir in zehn Jahren in vielen Gebieten Tschechiens einen höheren Wohlstand haben als in vielen Gebieten Bayerns. Wir stützen Spekulationsunfälle in Griechenland, die Tschechen bauen moderne Infrastruktur mit EU-Förderung. Wir haben offene Pulsadern und andere arbeiten sich nach oben. Das sollte uns zu denken geben. Der Euro war ein schöner Traum. Jetzt muss man darüber nachdenken, ob man nicht die schwachen Länder rausnimmt und versucht, sie wieder auf die Beine zu kriegen, und dafür die starken hereinholt.

Mit schwachen Ländern meinen Sie Italien, Spanien, Portugal, Griechenland und Zypern?

Aiwanger: Genau, eben die Länder, die durch den Euro massiv in die Bredouille kommen und bei denen man nachdenken muss, ob ihnen nicht mit einem anderen System besser geholfen ist. Man muss bei Griechenland endlich die Strategie wechseln.

Quasi als Testballon?

Aiwanger: Sagen wir es so: Bevor dort die Situation noch weiter eskaliert, würde ich dort jetzt mal die Medizin wechseln. Wir geben den Griechen seit zwei Jahren die selbe Medizin und die werden immer kränker. Jetzt sollte man handeln, bevor der Patient stirbt.

Und die neue Medizin heißt Drachme?

Aiwanger: Ja: Drachme, Schuldenschnitt, Wirtschaftshilfe und Hilfe für ein funktionsfähiges Steuersystem. Mit diesen vier Schritten würde ich das angehen. Ich würde die Griechen zunächst sogar noch in der Eurozone lassen und die Drachme als Parallelwährung einführen. Dann gibt es die Möglichkeit, darüber etwas abzuwerten. Den Euro für größere Geschäftsbereiche, die "Weichwährung" Drachme fürs Kleingeschäft. Das wäre nicht so abrupt wie ein Ausschluss. Das ist kein Hirngespinst, das hat es schon gegeben, etwa in der Umbruchphase in Randstaaten der früheren Sowjetunion, da waren Dollar und D-Mark Parallelwährung. Wir müssen Alternativen zur Alternativlosigkeit denken dürfen, ohne gleich den Stempel "Anti-Europäer" zu bekommen.