PNP-Artikel vom: 02.03.2009
Pauli setzt zum Sturm auf Brüssel an
Frühere CSU-Landrätin führt Freie Wähler als Spitzenkandidatin in die Europawahl - Nominierung mit 93,8 Prozent
"Das wird die Republik verändern." Gabriele Pauli sieht in der Entscheidung der Freien Wähler, bei der Europawahl anzutreten, eine geradezu historische Dimension (Foto: dpa) |
Von Sebastian Erb
und Carsten Hoefer
München. Der Applaus nach der Wahl bleibt verhalten, aber als Gabriele
Pauli ans Mikrofon tritt, strahlt sie vor Freude. "Ich danke Ihnen sehr
herzlich", sagt sie, "das gibt mir Schub für den Wahlkampf." Die
frühere CSU-Rebellin hat geschafft, was seit einigen Tagen als sicher galt: Sie
führt die Freien Wähler (FW) als Spitzenkandidatin in die Europawahl im Juni.
76 von 81 Delegiertenstimmen entfielen auf sie, das entspricht 93,8 Prozent. Nur
drei Delegierte stimmten bei der Nominierungsversammlung am Samstag in München
gegen die 51-Jährige. Der FW-Bundesvorsitzende Armin Grein, der Pauli auf dem
zweiten Platz der deutschlandweiten Kandidatenliste folgt, erhielt 51 von 80
abgegebenen Stimmen. Im Gegensatz zu Pauli musste er sich gegen einen
Gegenkandidaten durchsetzen. Vor der Presse sagte Pauli später, dass sie schon
als Landrätin gemerkt habe, "wie die EU uns einschränkt". Sie denke
da beispielsweise an die Vergabeordnungen oder die Vorgaben, wie die Ausstattung
der Feuerwehr aussehen solle. Pauli fordert mehr Wettbewerb und eine stärkere
Einbeziehung der Bürger.
Lange Jahre waren die Freien Wähler nur auf kommunaler Ebene politisch aktiv.
Das änderte sich 2008, als sie mit gut zehn Prozent der Stimmen als
drittstärkste Kraft in den bayerischen Landtag gewählt wurden. Für Pauli war
es das politische Comeback, erst im Juni 2008 war die frühere Fürther
Landrätin der Gruppierung beigetreten. Nun zieht es sie nach Brüssel - zum
ersten Mal treten die Freien Wähler am 7. Juni bei einer Europawahl an. Dafür
stellen sie bundesweit eine gemeinsame Liste auf. "Das wird die Republik
verändern", sagt Pauli. Bei der Europawahl setzen die Freien Wähler auf
die Stimmen bisheriger Nichtwähler. "Wir zielen auf die Gleichgültigen
und wollen sie zum Mitmachen begeistern", sagte Grein in seiner
Eröffnungsrede und fügte mit einem Schmunzeln hinzu: "Wenn Anhänger der
etablierten Parteien mit uns fremdgehen, nehmen wir das natürlich mit Freude
zur Kenntnis." Europa müsse "demokratischer werden", forderte
Grein. Dazu gehöre eine Stärkung des Europäischen Parlaments und die
Einführung von Volksentscheiden, etwa über den Verfassungsvertrag und bei der
Aufnahme von neuen Mitgliedsstaaten. Nötig sei eine Demokratie der Bürger und
keine Parteiendemokratie. Grein sprach sich für ein Europa der Regionen aus:
"Was vom Bund oder den Ländern geregelt werden kann, muss nicht in
Brüssel geregelt werden."
Bayerns FW-Chef Hubert Aiwanger sieht in den Freien Wählern die "größte
basisdemokratische Bewegung Deutschlands". Deshalb würden sich auch viele
wundern, "wie gut wir am 7. Juni abschneiden werden", prognostizierte
er und schwärmte: "Dann sind wir die neue Kraft in Europa."
Als Wahlziel haben sich die Freien Wähler ein Ergebnis zwischen fünf und zehn
Prozent gesetzt. Welcher Fraktion sie sich anschließen wollen, sollten sie den
Einzug ins EU-Parlament schaffen, darüber haben sie nach eigenem Bekunden noch
nicht entschieden.
Weber: FW haben
"ihre Unschuld verloren"
Ein Europawahlprogramm haben die Freien Wähler nicht, nur
"Europa-Richtlinien" auf einem Flugblatt. Ihre Führung unterstützt
bei der Bundespräsidentenwahl Horst Köhler - Spitzenkandidatin Pauli aber will
ihre Stimme vielleicht doch SPD- Kandidatin Gesine Schwan geben. Sie habe sich
noch nicht entschieden, sagt sie.
Eine weit verbreitete Klage in der CSU lautet, dass die Freien Wähler
inhaltlich nicht festzunageln seien - weil sie gar keine verbindlichen Inhalte
hätten. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt warf Pauli am Wochenende vor,
ihr gehe es nur um die Schau. Nach Ansicht des niederbayerischen
CSU-Bezirkschefs und Europaabgeordneten Manfred Weber haben die freien Wähler
"ihr Deckmäntelchen als Pseudo-Bürgerbewegung" abgelegt. "Sie
haben ihre Unschuld verloren und zersplittern sich bundesweit", so Weber.
"Die Menschen werden sie jetzt an ihren Inhalten messen." Die Freien
Wähler hätten aber keine neuen Ideen zu bieten, ergänzte Weber. Mit der
Forderung nach einer Volksabstimmung liefen sie nur der CSU hinterher.