PNP-Artikel vom: 09.02.2009
Freie Wähler wollen ins Europaparlament
Wählervereinigung stimmt mit mehr als 70 Prozent für Kandidatur bei den Wahlen am 07. Juni
"Ein historischer Tag": So kommentierte Bayerns FW-Landesvorsitzender Hubert Aiwanger das Votum der Delegierten. (Foto: dpa) |
Von Ralph Bauer
und Ulf Vogler
Auerbach. Die Freien Wähler (FW) wollen nach dem bayerischen Landtag nun
auch den Einzug ins Europaparlament schaffen. Mit 71,5 Prozent Ja-Stimmen fiel
das Ergebnis einer Landesdelegiertentagung am Samstag im oberpfälzischen
Auerbach überraschend deutlich zugunsten einer Teilnahme an der Europawahl am
7. Juni aus. 452 Delegierte votierten dafür, 180 dagegen. "Das war ein
historischer Tag für Deutschland und die Freien Wähler", sagte Landeschef
Hubert Aiwanger zum Abschluss des Treffens. Die Entscheidung sei Verpflichtung,
sich nun thematisch gut aufzustellen und dem treu zu bleiben, was die Freien
Wähler ausmache, "eine bürgernahe Politik auch auf die europäische Ebene
auszudehnen".
"Wir strotzen vor Kraft"
Schon zur Begrüßung stimmte Manuela Koller, Sprecherin
des FW-Bezirksvorstandes Oberpfalz, die Delegierten sprachlich auf Europa ein:
"Herzlich willkommen, welcome, bienvenue in der Oberpfalz." Aiwanger
sprach sich dann ebenso wie der Bundesvorsitzende Armin Grein klar für ein
Antreten auf europäischer Ebene aus. "Bayern, Deutschland und Europa
brauchen politische Entscheidungen, die den Bürger wieder in den Mittelpunkt
stellen", sagte Grein. Er zeigte sich nach dem klaren Votum erleichtert.
"Ich glaube, dass die Beiträge Pro-Europawahl inhaltlich überzeugender
waren", nannte er einen Grund für die über 70 Prozent Ja-Stimmen.
Ähnlich äußerte sich Landtagsabgeordnete Gabriele Pauli: "Die Diskussion
hat noch einiges bewegt, viele kamen unentschlossen hierher."
In den über 30 Wortmeldungen überwogen die Befürworter. Viele Redner gaben zu
bedenken, dass man nun auch die Interessen der Wähler auf europäischer Ebene
vertreten müsse. Die Abkürzung "FW" dürfe nicht für
"Furchtsam warten", sondern müsse für "Fortschritt wagen"
stehen, sagte ein anderer Delegierter. "Wir strotzen vor Kraft",
meinte ein weiterer. Immer wieder wiesen Funktionäre darauf hin, dass nicht
zuletzt die umstrittene CSU-Kandidatur der Strauß-Tochter Monika Hohlmeier in
Oberfranken Chancen für die Freien Wähler bringe. "Wir können es doch
nicht den anderen Parteien überlassen, ihre Auslaufmodelle nach Europa zu
schicken", meinte einer.
Klar dagegen sprach sich vor allem der Bezirksverband Unterfranken, die Heimat
von FW-Gründer Armin Grein, aus. "Wie sollen wir bis zum 31. März alles
auf die Beine stellen, wenn zwei große Landesverbände nicht mitmachen?",
gab Bezirksvorstandsmitglied Eugen Albert zu bedenken. Andere Redner zweifelten
an der Finanzierbarkeit eines Europawahlkampfes. Lorenz Weidinger aus Oberbayern
befürchtete, dass die Entwicklung zu schnell gehe und sagte in Richtung des
Landesvorsitzenden Hubert Aiwanger: "Du bist ein Eilzug, aber vergiss
nicht, dass du Anhänger hast." Einig waren sich aber auch die Gegner, dass
die FW auch auf europäischer Ebene aktiv werden müssten, aber erst 2014.
Gabriele Pauli, die sich persönlich für die Europawahl aufstellen lassen will,
hält ein Ergebnis von zehn Prozent für die FW in Bayern für realistisch.
"Wenn wir mitmachen, möchte ich, dass wir Erfolg haben, dann bin ich auch
in Brüssel und Straßburg dabei", sagte sie. Dies entspreche ihrer
Lebensplanung. Mit einer Ablehnung hätte sie nach eigenen Angaben aber auch
leben können: "Ich bin ja im Landtag und sehr froh, dort zu sein."
Jetzt sei aber die Chance für die Freien Wähler da, ins Europaparlament
einzuziehen, so die frühere Fürther CSU-Landrätin.
Für CSU-Kandidaten wird die Luft dünner
Das FW-Antreten dürfte nicht zuletzt bei der
Unionsschwester für Unruhe sorgen. Schließlich rekrutieren die Freien ihr
Klientel hauptsächlich im Sammelbecken der unzufriedenen CSU-Anhänger. Die
Christsozialen müssen bei der Europawahl auf das Bundesgebiet hochgerechnet die
Fünf-Prozent-Hürde überspringen. Bei den vergangenen beiden Europawahlen ist
dies souverän gelungen, selbst solch ein dürftiges Ergebnis wie bei der
Landtagswahl dürfte nach Berechnungen reichen. Allerdings gibt es
Unsicherheiten wie die Wahlbeteiligung, und mit einer konkurrierenden FW-Liste
würde die Luft für die CSU-Kandidaten auf jeden Fall dünner.
Nun muss die Wählervereinigung bis Ende März 4000 Unterschriften von
Unterstützern vorlegen, um zur Europawahl zugelassen zu werden. Dort sind im
Gegensatz zur Bundestagswahl auch Wählervereinigungen zugelassen. Ein Zustand,
den Grein mit dem Gang vor das Bundesverfassungsgericht ändern will. Dass bei
der Bundestagswahl nur Parteien antreten dürfen, sei "eine gewaltige
Benachteiligung der Freien Wähler", kritisierte er. Die Chancengleichheit
sei hier nicht gewahrt. Nach dem jetzigen Stand müssten die FW eine Partei
werden, um auch auf Bundesebene anzutreten.