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SZ-Artikel vom: 12.11.2007

Der Vielredner - Die Freien Wähler und ihr Landeschef Aiwanger

Es ist ein merkwürdiges Ritual, das sich einen Vormittag lang im kleinen Saal der Nürnberger Meistersingerhalle regelmäßig wiederholt. Ein Freier Wähler (FW) nach dem anderen tritt ans Saalmikrophon, um zu sagen, was sich an der bayerischen Schulpolitik unbedingt ändern müsse. Währenddessen steht oben auf dem Podium der FW-Landesvorsitzende Hubert Aiwanger, das Rednerpult dabei so fest im Griff als wollte er demonstrieren: Das gehört mir allein. Und egal, ob sich die Redner unten im Saal ergänzen oder wiedersprechen - Aiwanger lobt jeden Beitrag als "ganz wichtig" oder "richtigen Ansatzpunkt" - und hält dann ein nicht selten doppelt so langes Co-Referat mit immer demselben Fazit: Die CSU macht alles falsch, deswegen müssen die Freien Wähler 2008 unbedingt in den Landtag.

1998 haben die Parteifreien mit 3,7 und 2003 mit 4,0 Prozent der Stimmen die Fünf-Prozent-Hürde gerissen. Nun wissen sie, dass ihr dritter Anlauf 2008 ihre letzt Chance ist. Also versucht Aiwanger um jeden Preis, die Basis zu mobilisieren. Bei der Landesversammlung führte das zu kuriosen Momenten. Selbst bei fast hundertprozentigen Abstimmungen unterbrach der FW-Chef, um bei versprengten "Nein"-Votierern nachzufragen, warum sie denn dagegen seien. Sogleich zimmerte Aiwanger dann eine Kompromissformulierung.

Auf diese Weise wurde auch eine Petition verabschiedet, für welche die Freien nun Unterschriften sammeln werden. Darin fordern sie kleinere Schulklassen, niedrigere Klassenmindestgrößen, mehr Lehrer, ein verpflichtendes und kostenfreies letztes Kindergartenjahr, sowie die Abschaffung der Studiengebühren. Die Petition werde "das große Thema im Kommunalwahlkampf werde", sagt Aiwanger, was verwundert, weil sich die Petition ausschließlich an den Landtag richtet.

Doch so sehr Aiwanger immer wieder betont, dass die Freien Wähler bei der Kommunalwahl am 2. März ihre 14 Landrats- und etwa 600 Bürgermeisterposten verteidigen und weiterhin etwa 40 Prozent der Stadt-, Gemeinde- und Kreisräte stellen wollen - ist der Blick des niederbayerischen Agraringenieurs doch mehr auf die Landtagswahl im Herbst 2008 gerichtet. Hubert Aiwanger rüstet sich dabei für die Spitzenkandidatur, auch wenn er in schönstem Stoiber-Deutsch auf entsprechende Fragen antwortet: "Als Landesvorsitzender stehe ich ohnehin ganz vorne, und ob ich mir dieses Schild "Spitzenkandidat" anhänge oder nicht, ich weiß nicht, ob ich das brauche, das lasse ich offen, das gehe ich pragmatisch an"

Uwe Ritzer

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